Vor wenigen Tagen ist es wieder passiert: Ein Flüchtlingsboot ist im Mittelmeer gekentert. Dabei sind 300 Menschen ertrunken. Diejenigen, die solche Situationen regelmäßig mit eigenen Augen sehen, sind die Seeleute, sagt Heike Proske von der Deutschen Seemannsmission:
Die Seeleute erleben das, indem sie neben ihren Schiffen Gegenstände oder eben auch Menschen oder Schiffe sehen, in denen noch Menschen unwürdig zusammengepfercht sind. Und auch in der Situation hinterher, indem sie versuchen, mit dem zu leben, was sie gesehen und erlebt haben.
Die Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission erklärt: Alle Seeleute, die über das Mittelmeer fahren, sehen Schiffsteile, vor allem aber treibendes Gepäck. Und wenn ein Notruf hereinkommt, müssen sie helfen, auch wenn ein Boot in Seenot vielleicht 5 Stunden entfernt ist.
Dann kommen sie in die Lage, die wir neulich einmal gesehen haben, dass sie in irgendeiner Sprache den Menschen in den kleinen Booten klarmachen müssen, dass sie sie nicht alle auf einmal retten können, dass also auch nicht alle auf einmal auf eine Seite dieser kleinen Nussschale, die da im Meer treibt, gehen.
Oft genug können sie nicht alle an Bord holen. Die Mitarbeiter der Seemannsmission bekommen immer häufiger mit, dass die Seeleute schon vor einer Route durch das Mittelmeer voller Sorge sind. Einige haben echte Traumata. Und viele fragen:
„Sieht eigentlich jemand, dass wir auch betroffen sind?“
Deshalb hat die Seemannsmission und das Institut für Maritime Medizin auch eine Befragung gestartet. Ein erstes Ergebnis: Die Seeleute wünschen sich mehr Schulungen:
Seeleute müssen ja ohnehin regelmäßig Fortbildungen machen, und dass es da ein Seminar / einen Workshop dazu gibt: Vorbereitung auf Situationen mit Flüchtlingen.
Viele Reedereien statten ihre Schiffe längst mit zusätzlichen Rettungswesten, Wasserflaschen und zusätzlicher Nahrung aus. Heike Proske macht aber klar: Handelsschiffe auf dem internationalen Seeweg sind eigentlich nicht geeignet, um regelmäßig Flüchtlinge aufzunehmen. Die europäische Politik müsse handeln.
Wir müssen unseren Seeleuten sehr viel mehr Unterstützung geben, denn schließlich transportieren die Seeleute mehr als 90 % all unserer Güter auf dem Seeweg.
Stefan Erbe, Evangelische Redaktion